Die irische Künstlerin Aleana Egan (*1979, Dublin, Irland) präsentiert in der Kunsthalle Basel ihre erste grosse institutionelle Einzelausstellung. Nach dem Studium der Malerei an der Glasgow School of Art hat die Künstlerin in den letzten Jahren unter anderem in Einzel- und Gruppenausstellungen in der Galerie Mary Mary, Glasgow (2006) und in der Galerie Sandra Buergel, Berlin (2007) auf sich aufmerksam gemacht. Ganz aktuell stellt Aleana Egan auch im Rahmen der 5. berlin biennale aus.
Der Ausstellungstitel We sat down where we had sat before bezieht sich auf eine Textzeile aus dem Roman The Sea, the Sea (1978) der anglo-irischen Schriftstellerin Iris Murdoch. Die Erzählung handelt von den menschlichen Obsessionen Liebe, Eitelkeit und Eifersucht vor dem Hintergrund poetischer Beschreibungen des Meers und der rauen Küste. Die Wahl des Titels verweist auf die Arbeitsweise der Künstlerin, die in ihren Werken intuitive und subjektiv motivierte Übersetzungsprozesse von literarischen Vorlagen sowie präzise Beobachtungen ihrer eigenen Umgebung und der Menschen, die ihr nahe stehen, umsetzt. Egans Skulpturen, Collagen und Zeichnungen umfassen abstrakte Formen und bestehen aus einfachen, rohen Materialien, die mit einem handwerklichen Ansatz des Färbens und Klebens bearbeitet werden. Die skulpturalen Werke von Egan nehmen oft Bezug auf den Ausstellungsraum, indem die Künstlerin ausgewählte Architekturelemente in deren formale Struktur aufnimmt und sie weiter modifiziert. Dabei schafft Egan im Ausstellungsraum eindringliche Settings, welche durch die Formen, die Materialien und die Farben, die den Arbeiten eine körperliche und verletzlich wirkende Taktilität verleihen, eine atmosphärische Stimmung im Raum aufbauen.
Für den Oberlichtsaal der Kunsthalle hat die Künstlerin eine fünf Meter hohe Skulptur mit einer schroffen, unregelmässigen Oberflächenstruktur aus Zement, Klebstoff und Färbemittel entwickelt, die sich wie ein massiger Fels im Raum ausdehnt. Die Form reflektiert die fortwährenden Eindrücke, welche die Künstlerin aus Landschaftsbetrachtungen gewinnt sowie die skulpturalen Prozesse, die von diesen Entdeckungen motiviert werden. Die Skulptur ist auch eine unmittelbare Reaktion der Künstlerin auf den grossen, historischen Oberlichtsaal, der mit seiner Oberlichtkuppel und den Friesen selbst eine klassische skulpturale Erscheinung besitzt und nun von der formlosen Gestalt kontrastiert wird. Der Titel der Skulptur Stage of Concern, 2008, bezieht sich auf den gleichnamigen Begriff, welcher der englische Psychoanalytiker D. W. Winnicott in den 1960er Jahren formuliert hat. Er beschreibt den Moment, in welchem sich das Kind in seiner psychologischen Entwicklung eines „Innen” und „Aussen” bewusst wird und beginnt, sich um das Wohlergehen seiner Mutter als Objekt seiner Begierde zu ängstigen. Egans Skulptur, deren Form zwischen der Erinnerung an eine Landschaft und der Darstellung eines inneren Gefühls changiert, stellt beim Betrachter ebenfalls einen Zustand der Irritation und des Verlustes einer eindeutigen sprachlichen Beschreibung her. Das roh wirkende Objekt wird zur neutralen Masse, die vielmehr Gedanken und Ideen hervorruft, als dass sie diese selbst enthält oder zeigt.
In zwei weiteren, eleganten Wandobjekten wie prospect und terrace, beide 2008, gefertigt aus Karton, Farbe und Klebestoff, bezieht sich die Künstlerin auf einen Entwurf für das Innere des Oberlichtsaals (1868/72) vom Architekten Johann Jakob Stehlin. Die skulpturalen Reliefs folgen mit ihren sich aufeinander beziehenden, abstrahierten Linienzeichungen der Form zweier grosser Flügeltüren aus Holz, die in Stehlins Skizze ursprünglich den Saal zu den anschliessenden Räumen repräsentativ öffneten.
In den anschliessenden Sälen präsentiert die Künstlerin zwei Videoarbeiten aus ihrem fortlaufenden Projekt derReadings. Seit geraumer Zeit hat Egan Freunde und Familienmitglieder aufgenommen, die Auschnitte aus ihren Lieblingstexten vor der Kamera vorlesen. Im Film Harry, 2008, liest eine junge Frau auf einem Feldweg aus den Werken des amerikanischen Schriftstellers Henry Miller und des englischen Dichters Ted Hughes vor; Helen, 2008, zeigt eine Frau, die in einem disparaten Innenraum Texte aus den Büchern von Iris Murdoch vorliest. Der intime Moment des Vorlesens und die konzentrierten Gesten schaffen eine sensible Annäherung an die Persönlichkeit der Vorlesenden. Die Künstlerin verstärkt diese, indem sie die Settings der Lesung in sorgfältig arrangierten Situationen mit spezifischen Lichtverhältnissen und Farbgebungen inszeniert und teilweise die Räume mit eigenen Kunstwerken einrichtet. Die Künstlerin bleibt somit als Person anwesend: Die Filme zeigen eine autobiographische Auseinandersetzung und bauen gleichzeitig durch die literarischen Texte, die in der Natur oder im Innenraum vorgelesen werden, einen suggestiven Erzählraum auf.Die Filme wie die skulpturalen Werke von Aleana Egan umkreisen Beobachtungen ihres persönlichen Umfeldes und verleihen den kleinsten Details, die uns in unserer Umgebung kaum mehr auffallen, eine poetische Sprache.
In Verbindung zu Aleana Egans Ausstellung wird im Mai 2008 ein Katalog erscheinen.
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Archiv des Alltags“ im Theater Basel (Klosterberg 6) gestalten Aleana Egan und Ahmet Ögüt am Freitag, den 18. April 2008, um 20 Uhr einen Abend mit Lesungen und Performances.
Aleana Egan (1979, Dublin, Irland. Lebt und arbeitet in Dublin und Berlin).
Einzelausstellungen (Auswahl): 2006: Mary Mary, Glasgow / 2005: *Doldrums, Mary Mary, Glasgow / 2003: Assembly Gallery, Glasgow.
Gruppenausstellungen (Auswahl): 2008: 5. berlin biennale / 2007: Our affects fly out of the field of human reality, Galerie Sandra Buergel, Berlin / 2006: Peaton House, Argyll & Bute; Mantua Arts Festival, Roscommon, Irland / 2005: Take it Further (Part 2), Andrew Mummery Gallery, London; Flounder 2, Amsterdam / 2003: Royal Scottish Academy, City Arts Centre, Edinburgh.
Die Ausstellung wird grosszügig unterstützt von: Martin Hatebur