Vivian Suters Wohnhaus und Atelier in Panajachel in Guatemala sind dicht umgeben von Avocado- und Mangobäumen, dazwischen hohe Bananenstauden und vereinzelt Kaffeesträucher. 1983 kam sie auf einer Reise durch Nord- und Mittelamerika in das Dorf am Atitlán-See, wo sie seither lebt. Geboren wurde Vivian Suter 1949 in Buenos Aires, Argentinien. Von 1962 bis 1983 lebte sie, mit Zwischenstationen in Wien, Afrika, Bern und Rom, in Basel. Bis heute ist sie eng mit der Stadt und ihrer Kunstszene verbunden.
Das Wohnhaus und Atelier in Guatemala befinden sich auf einer ehemaligen Kaffeeplantage, die geprägt ist von dichter Vegetation. Grosse Fenster und Türen, Veranden und Brücken machen die Übergänge zwischen dem Innen und dem Aussen fliessend. Dieses Wechselverhältnis bestimmt nicht nur das alltägliche Leben, auch Vivian Suters Werke sind direkt davon beeinflusst.
In der Ausstellung in der Kunsthalle Basel sind Werke aus den vergangenen dreissig Jahren zu sehen. Es gibt monochrome Werke mit lasierendem, leinwandsichtigem Auftrag, skizzenhafte Landschaftseindrücke, Gemälde mit kräftigen, tropikalen Farbkombinationen in klar voneinander abgegrenzten Flächen. Ebenso finden sich Abbildungen der Natur, in denen die Vegetation ornamentale Formen annimmt, Bilder, die impressionistisch Licht- und Farbstimmungen wiedergeben und abstrakte Gemälde mit dickem Impastoauftrag.
Stilistisch lassen sich Vivian Suters Werke so in unterschiedliche Gruppen einteilen. Allerdings sind diese weder in klar definierten, strikt aufeinander folgenden Phasen entstanden noch zeitlich exakt zu datieren. Ihre Werke sind intuitive und emotionale visuelle Annäherungen an das, was die Künstlerin umgibt. Sie extrahiert Motive und interpretiert Momente dieser Umgebung und so spielen der Wechsel der Jahreszeiten, aber auch einmalige Ereignisse und Veränderungen in ihrer direkten Umgebung eine grosse Rolle für die bildnerischen Entscheidungen. 2005 zerstörte der Tropensturm Stan mit starken Winden, Regengüssen und Erdrutschen weite Teile Mittelamerikas und richtete auch in Panajachel grossen Schaden an. Vivian Suters Atelier war kniehoch mit Schlamm gefüllt, der die dort gelagerten Werke beschädigte. Anstatt die Werke nun als zerstört anzusehen, beschloss sie, diese „Zerstörung“ zum Teil der Werke zu erklären und damit der Natur ihrer Umgebung nicht nur die Qualität als Bildmotiv, sondern auch als aktives Element in der Bildgestaltung zuzusprechen. In der Folge eines zweiten Tropensturms im Jahr 2010, Agatha, experimentierte sie mit Witterungsprozessen, die zu einer Gruppe von Schimmelbildern führte: mit unvermischtem und deshalb nicht sichtbarem Leim malte sie auf Leinwände, die sie für einige Zeit im Freien platzierte. Die Witterung führte dazu, dass sich die mit Leim bestrichenen Stellen mit grauem Schimmel überzogen und sich das davor Gemalte wie von selbst hervorbrachte.
Doch auch bereits vor dem Tropensturm arbeitete Vivian Suter nicht ausschließlich im Atelier. Das Atelier ist für sie kein hermetisch geschlossenes Gebäude, sondern ein offener Ort, an dem Innen und Aussen in einem engen Wechselverhältnis miteinander stehen. Häufig bewegt sie ihre Gemälde während des Arbeitsprozesses zwischen dem Atelier, der grossen Veranda und verschiedenen Plätzen im Garten hin und her. Viele Werke nehmen unmittelbar Spuren der Umgebung auf, indem die Künstlerin zulässt, dass Einflüsse von Klima und Vegetation die Leinwand und Farbe verändern. Manche Kompositionen werden so von der Natur zum Abschluss gebracht, andere holt sie ins Atelier zurück und bearbeitet sie dort weiter. Die Umgebung tritt so nicht nur durch Anschauung und damit bildhaft, sondern ganz konkret in die Gemälde ein. Die Werke machen damit eine erlebte Beziehung zwischen dem realen und gemalten Raum spürbar. Es sind keine isolierten Ausschnitte aus dieser Umgebung, sondern vielmehr Hinweise auf den ursprünglichen Zusammenhang, aus dem sie stammen.
Bereits in den frühen Arbeiten spielt das Erleben der Umgebung eine Rolle. Einige sind während den vielen Reisen als eine Art visuelles Tagebuch entstanden. Häufiger aber nahm Vivian Suter nach ihrer Rückkehr ins Basler Atelier Erinnerungen an Gesehenes, Zitate anderer Farbpaletten und auf den Reisen gesehene Motive mit auf, die sie in ihrer eigenen Formensprache adaptierte. Der Ausstellungstitel intrépida, „unerschrocken“, könnte bereits für diese frühen Arbeiten stehen, als Beschreibung der abenteuerlustigen Offenheit, mit der sie sich der Welt und der Kunst nähert.
Anfang der 1980er entstehen Malereien auf Papier, die den Prozess des Malens mit einer fast bildhauerischen Formung des Materials verbinden. Während des Malens passte Vivian Suter das feucht werdende Papier den Formen an, beschnitt es oder ergänzte es, sodass nicht der Bildträger die Grenzen des Motives, sondern das Motiv die Form des Bildträgers bestimmte.
Die in diesen Arbeiten noch erkennbaren Pflanzen oder Gegenstände lösen sich bald in expressiv abstrakten Gemälden aus vielen übereinandergelegten Farbschichten auf. In diesen überwältigt die Lebendigkeit der Malerei das konventionelle rechteckige Format. Nach dem Umzug nach Panajachel wird ihre Malerei leichter, atmosphärischer.
Das einzelne Gemälde steht für Vivian Suter nicht isoliert für sich allein, sondern immer in Verbindung mit anderen Werken. Jedes Einzelwerk bewahrt seine Eigenständigkeit, in Kombination miteinander beginnen sie jedoch die Geschichte vom Blick der Künstlerin auf ihre Umwelt und ihrer Annäherung daran zu erzählen.
Bei Vivian Suters Werken sieht sich der Betrachter meist nicht ausschliesslich mit einem rein visuellen Bild konfrontiert, denn in der Präsentation öffnet die Künstlerin die Werke zu unserem „realen“ Erfahrungsraum hin. Bereits im Atelier löst sie die meisten Leinwände nach der Trocknung von den Keilrahmen und hängt sie an einer Leiste befestigt in eine Lagervorrichtung. In der Ausstellung präsentiert sie viele Werke in eben dieser Form und spannt nur einen kleinen Teil neu auf Keilrahmen auf. Ist eine Leinwand aufgespannt, nimmt man in erster Linie das Bild wahr, das eine rein visuell konzipierte, aber für sich gültige Realität vermittelt. Der Bildträger, Leinwand und Rahmen, tritt dabei in den Hintergrund. Nicht aufgespannt wird der Bildträger als einfaches Tuch wahrgenommen, die Illusion des Bildes aufgelöst und damit wird das Bild selbst zu einem Teil unseres Erfahrungsraums.
In nonchalanter Geste demontiert Vivian Suter noch weiter den Status des in sich abgeschlossenen Einzelbildes. Sie zitiert die Hängevorrichtung aus dem Lager, in dem Werke dicht an dicht hängen, und es damit unmöglich machen, jedes einzelne für sich genau zu betrachten. Andere Werke hängt sie übereinander oder mit dem Bild zur Wand, so dass nur die Rückseite sichtbar ist. Manche Werke zeigen offen, dass sie aus mehreren Leinwandstreifen zusammengesetzt sind und erinnern dabei an Vorhänge. Mit dem Vorhang greift Vivian Suter auf ein tradiertes Motiv der Kunstgeschichte zurück, bei dem es um die Frage nach den Möglichkeiten der Kunst zur Abbildung der Realität geht und der Vorhang als Hinweis auf die Illusion funktioniert. Vivian Suter zielt jedoch nicht auf ein illusionistisches Spektakel. Ihr Interesse gilt dem Verstecken und Aufdecken als einer Möglichkeit, etwas sichtbar zu machen, was der Vorstellungskraft und dem eigenen Empfinden entspringt.
Auf Einladung von Vivian Suter zeigt die Kunsthalle eine Auswahl von Collagen von Elisabeth Wild.
1922 in Wien, Österreich geboren, emigrierte Elisabeth Wild 1939 aus politischen Gründen mit ihren Eltern nach Buenos Aires, Argentinien. Dort absolvierte sie ein Malereistudium an der Academia Nacional de Bellas Artes. Neben ihrer Ausstellungstätigkeit in Buenos Aires und in Mar del Plata verdiente sie sich ihren Lebensunterhalt mit dem Entwerfen von Textildrucken. 1962 zog sie mit ihrem Ehemann, dem Schweizer August Wild, und ihrer Tochter Vivian, nach Basel. Seit 2007 lebt die Künstlerin bei ihrer Tochter in Panajachel, Guatemala. Ihre Malerei steht in der Tradition des Magischen Realismus. Häufig malte sie klassische Themen wie Landschaften, Stillleben und Portraits. Seit einigen Jahren arbeitet sie vorwiegend mit dem Medium der Collage.
Ihre Collagen sind enigmatische Kompositionen, die eine Vielfalt von unterschiedlichen Motiven zeigen. Neben Collagen mit symmetrisch aufgebauten Formen, die an ethnologische Kultobjekte erinnern, gibt es Collagen, in denen die symmetrischen Ornamente wie flächige kostbare Pietra – Dura – Intarsien wirken. Ebenso finden sich auch abstrakte asymmetrische, dynamische Kompositionen. Wieder andere Collagen eröffnen surreale Landschaften, die in sich kohärent, jedoch nicht wirklichkeitsgetreu sind. Obwohl sie als Collagen ihr „Gemacht – Sein“ in den Schnittkanten deutlich zeigen, trifft „kohärent“ als Beschreibung aller Collagen zu.
Meist sind sie verhältnismässig klein – nicht grösser als die Seite einer Zeitschrift. Das Format richtet sich nach dem ausgeschnittenen Bild, das die Künstlerin als Hintergrundbild und Träger der Collage auswählt. Damit lässt das Format auch Rückschlüsse auf die Herkunft ihres Materials zu: es stammt aus Werbeanzeigen in Zeitschriften.
Aus diesen schneidet Elisabeth Wild Motive wie Schmuckstücke, Möbel oder Schminkpaletten aus. Ebenso aber auch Holzfussböden, Hausfassaden oder Wolkenhimmel. Dabei ist ihr nicht das abgebildete Objekt selbst wichtig, sondern die rein formalen Eigenschaften dieser Abbildung – die Oberflächen und Materialien ebenso wie die geometrischen Grundformen. Ob es sich dabei um Fotografien oder Illustrationen handelt, ist nicht von Bedeutung. Denn in erster Linie setzen sich die Abbilder aus Farben und Linien zusammen, die sie neu und beinahe malerisch organisiert. Manche Objekte werden als Ganzes belassen, andere zurechtgeschnitten, um die Komposition farblich oder strukturell zu ergänzen.
So entstehen in sich geschlossene Kompositionen, die sich alle dadurch auszeichnen, dass sie leicht verschobene Realitäten abbilden. Häufig suggerieren die Überschneidungen einzelner Elemente eine perspektivische Tiefe und Unterteilung in Vorder- und Hintergrund. Die entstehende Bildordnung unterscheidet sich jedoch von unserer gewohnten Wahrnehmungslogik. Auch bleiben Objekte wie der Schmuck oder die Möbel in den Kompositionen sichtbar, aber sind sie für uns nur eine Art Tür, die unserer Wahrnehmung den Zugang in eine andere Welt öffnet.
Elisabeth Wild dienen die Zitate der Wirklichkeit nicht dazu, bei der Betrachtung den Kontext aufzurufen, aus dem sie stammen. Sie will nicht die Wirklichkeit in die Kunst holen, wie es in der Geschichte des Mediums häufig ein Anliegen war. In der Tradition surrealistischer Collagen verweisen ihre Collagen vielmehr auf das Vorhandensein einer anderen Realität, die mit Mitteln der Kunst dargestellt wird und dabei von den Gesetzen der Logik befreit ist.
Die Ausstellung wird grosszügig unterstützt von Alfred Richterich Stiftung