Ahlam Shibli

Trackers

Die Künstlerin Ahlam Shibli (*1970, Arab al-Shibli, Palästina) beschäftigt sich in ihren Fotografien mit den aktuellen Lebensbedingungen der palästinensischen Bevölkerung, die in Israel lebt, sowie mit den verschiedenen Auswirkungen, die ein Zusammenleben in einem andauernden Konfliktzustand auf eine ganze Gemeinschaft ausüben.

Shibli zeigt diese spezifischen Machtbeziehungen, die zwischen Israelis und Palästinensern herrschen, in Fotografien, die sich nicht unter einer bestimmten Einheitlichkeit hinsichtlich des fotografischen Stils und der Wahl der Ausschnitte subsumieren lassen. Sie mischt Schwarz-Weiss-Fotografien mit Farbfotografien, verbindet Zentralperspektiven, distanzierte Kamerahaltung mit intimen Nahansichten. Der Zusammenhalt der Bilder ist so nicht in einer einheitlichen Darstellungsweise gegeben, sondern findet sich vor allem in den miteinander in Beziehungen stehenden Situationen, auf welche die Künstlerin fotografisch jeweils anders reagiert.

Die Intention der Künstlerin, das alltägliche Leben der palästinensischen Bevölkerung zu zeigen, bedingt eine intensive Recherche vor Ort, Gespräche mit den Bewohnern der Dörfer und eine subtile Beobachtung der ländlichen und urbanen Umgebung. So hat Shibli im Projekt ‘Goter’ (Oktober 2002—Februar 2003), welches sie 2003 neben anderen Serien in der Ikon Gallery in Birmingham gezeigt hat, das Leben der Palästinenser beduinischer Herkunft in der Beer-Sheba-Region im Negev dokumentiert. Diese wohnen in speziell vom Staat Israel erbauten kleinen Städten, sowie auch in so genannten ‘unbemerkten’ Dörfern, die nicht auf der offiziellen israelischen Landkarte vermerkt sind. Shibli zeigt in ihrer Serie beide Örtlichkeiten mit Ansichten von Hinterhöfen, Plätzen, wo sich die Dorfbevölkerung trifft, sowie unbewohnten Landstrichen. Die Bilder von provisorisch gebauten Häusern fokussieren jedoch nicht nur die herrschende Armut, sondern erzählen vielmehr etwas über die Entwurzelung von Menschen, die ihr Heim verloren haben. Dabei ermöglicht die distanzierte Haltung, die Ahlam Shibli mit ihrer Kamera einnimmt, nirgends eine Emphatie mit den gezeigten Menschen — sie werden nicht in einer Opferrolle präsentiert, sondern werden vielmehr ohne Sentimentalität und dramatischer Aufladung in ihrer Beziehung zu ihrem alltäglichen Umfeld gezeigt. Die angemessene Distanz, in welcher Shibli die Lebenssituationen der palästinensischen Bevölkerung präsentiert, verweigert den Anspruch, eine allgemeingültige oder direkte politische Aussage zu machen: Dies unterscheidet sie grundlegend von journalistischer Pressefotografie, deren Ziel es oft ist, das attraktivste und sensationellste Bild für ein Massenpublikum zu machen.

Im Oberlichtsaal der Kunsthalle Basel präsentiert Ahlam Shibli nun erstmals die komplette Serie ‘Trackers’, 2005, die zwischen Januar und Juli 2005 entstanden ist und aus 85 Fotografien besteht. In dieser neuesten Serie dokumentiert die Künstlerin das alltägliche Leben von jungen Palästinensern, die freiwillig in der israelischen Armee, in den so genannten Tracker Units (Spürtrupps/Aufklärungseinheiten), dienen. Diese Einheit wurde von der IDF (Israeli Defense Forces) speziell für die Palästinenser beduinischer Herkunft ins Leben gerufen. Dort werden sie zu Trackers (Spurenleser)
ausgebildet, die in den, von Israel besetzten, palästinensischen Gebieten sowie an den Grenzen eingesetzt werden. Es handelt sich vorwiegend um junge, ungebildete Palästinenser, die oft die Möglichkeit darin sehen, eine gewisse gesellschaftliche Macht oder ein Stück Bauland zu kaufen, wenn sie in der israelischen Armee dienen.

Shiblis Bilder fokussieren vor allem den banalen und unheroischen Aspekt des Soldaten-Lebens: Wir sehen die Soldaten weniger in militärische Trainingsaktionen involviert, sondern viel eher bei alltäglichen Handlungen im Camp, sich ausruhend oder wartend. Neben den Bildern aus dem Camp werden aber auch die Herkunftsdörfer der Trackers gezeigt, in welche sie nach dem Dienst zurückkehren werden: wir sehen die Männer bei ihren Familien, in lokalen Clubs; daneben Landschaftsbilder mit zerstörten Häusern und zerfallenen Infrastrukturen — wie auch Bilder von Friedhöfen, auf denen die Gräber von Palästinensern, die im Kampf gegen den Staat Israel gestorben sind, sich neben denen befinden, die in dessen Auftrag gekämpft haben.

In der Serie ‘Trackers’, 2005 nähert sich Shibli den Menschen in einer persönlichen Art und Weise und stellt die gezeigten Personen sehr individuell dar. Die Künstlerin bringt uns die palästinensische Jugend näher, sie zeigt sie in intimen Situationen und verleiht ihnen Würde. Gleichzeitig thematisiert Alam Shibli einen wunden Punkt der palästinensischen Gesellschaft — die angenommene Loyalität zum Staat Israel, der die palästinensische Gemeinschaft entzweit — und macht darauf aufmerksam, was es für die jungen Männer bedeutet, in der israelischen Armee zu dienen.

‘Ich versuche den Preis zu veranschaulichen, den eine Minderheit gezwungen ist, der Mehrheit zu bezahlen, damit sie akzeptiert wird. Und dies selbst, wenn sie dabei ihre Identität aufgibt, möglicherweise um zu überleben, oder vielleicht geht es um mehr als das …’ (Ahlam Shibli)

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Diese Ausstellung wird unterstützt von:

HILTON BASEL

ISRAELI NATIONAL LOTTERY COUNCIL FOR THE ARTS

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