Rosalind Nashashibi (geb. 1973 in Croydon/England) stammt aus einer palästinensisch- nordirischen Familie und lebt zur Zeit in Glasgow. Seit zwei Jahren finden ihre meditativen Filmarbeiten vermehrt auch international Beachtung. Sie wurden als Teil des schottischen Beitrags zur 50. Biennale in Venedig im Begleitprogramm der Ausstellung „Zenomap“ gezeigt (kuratiert von Kay C. Pallister). 2003 wurde die Künstlerin mit dem Beck‘s Futures Award ausgezeichnet und im gleichen Jahr stellte sie ihre Arbeit erstmals in zwei grossen Einzelausstellungen vor (Centre for Contemporary Arts CCA, Glasgow und Fruitmarket Gallery, Edinburgh). Zuletzt war sie an den Gruppenausstellungen „Sodium and Asphalt“ (kuratiert von Ann Gallagher und Tobias Ostrander im Museo Tamayo, Mexico City) und “Britannia Works“ (kuratiert von Katarina Gregos, Ileana Tounda Contemporary Art Centre, Athen) beteiligt.
In ihren Filmen setzt Nashashibi ihr Interesse an den alltäglichen Handlungen der Menschen in eine sehr persönliche Sprache um. Verglichen mit vielen heutigen Kunstproduktionen, in denen Sphären eines hoch idiosynkratischen Geschmacks durchforscht werden, scheint Nashashibi ihre Inspiration aus einer völlig anderen Welt zu schöpfen. Ihre Betrachtungen gelten den Dingen, die man leicht übersieht und denen man sich nur schwer annähern kann, da sie irdisch, alltäglich und allzu vertraut sind. Nashashibis Arbeiten mögen uns an das Genre des Dokumentarischen erinnern. Aber während die meisten Dokumentarfilme von individuellen oder historischen Dramen berichten, nimmt die Kamera dieser Künstlerin Handlungen und Objekte auf, die überwältigend einfach und zeitlos wirken, die ganz natürlich ihren Ort zu haben scheinen und den Eindruck des Universellen vermitteln.
Nashashibi wählt für ihre Filme häufig Titel, die sich zwischen Beschreibung und Poesie bewegen. So zum Beispiel Open Day (Tag der offenen Tür), ein Film, der Arbeiter und Innenräume im Barbican Centre in London, einen Yogakurs und eine Hallenkletterwand zeigt und mit Popmusik unterlegt ist, oder States of Things (Zustände von Dingen), in dem man einen Basar der Heilsarmee sieht und dazu Lieder von Oum Kultoum, der legendären ägyptischen Sängerin aus den 20er Jahren, hört. Auch die Filme selbst haben diese oszillierende Qualität. Nashashibi gelingt es, mit ihrer sensiblen und präzisen Kameraführung einfache Handlungen in private Wunder zu verwandeln.
Warten, schlafen, eine Mahlzeit zubereiten, das Haus putzen – eigentlich geht es in all ihren Filmen um das Zusammensein und darum, vergessene Gefühle von Zugehörigkeit und Gemeinschaft mit der Kamera wieder ins Bewusstsein zu rufen. In Nashashibis neuester Arbeit Hresh House fliessen Handlungen und Motive, die dem längst vergessenen Repertoire des Realismus zugehörig zu sein scheinen und die sich oftmals unserer Aufmerksamkeit entziehen, in den Erzählstrang ein. Dieser Film zeigt einen Tag – tatsächlich ist es ein Ferientag – im Leben einer palästinensischen Familie in Nazareth. Die freundliche, lustvolle und offenbar mühelose Zusammenarbeit einer kleinen Gruppe von Menschen steht indirekt auch für die Möglichkeit einer gesunden Mikro-Ökonomie. Nashashibi versucht, die Logik des herrschenden korporativen “Anti-Marktes“ (Manuel De Landa) zu unterlaufen. Im direkten Austausch von Waren und Ideen, wie er auf allen Marktplätzen von Südamerika über Nordafrika bis nach Osteuropa täglich stattfindet, liegt eine Freude und Macht, die die Künstlerin in ihren Filmen wieder aufleben lässt. Hierbei erfahren Freizeit und Arbeit die gleiche Aufmerksamkeit.
Für die Ausstellung “Over In“ in der Kunsthalle Basel, ihrer ersten Einzelausstellung auf dem europäischen Festland, hat Rosalind Nashishibi eine neue Serie von Siebdrucken geschaffen. Ausserdem werden zwei ihrer Filme gezeigt: Park Ambassador, eine für die Kunsthalle neu produzierte Arbeit, die die Organisation von Freizeit anhand der vorgegebenen Strukturen in einem öffentlichen Park in England als einfache Abstraktion von Machtverhältnissen untersucht und Stone and Table, ein früher Film der Künstlerin, der bisher noch nie öffentlich zu sehen war. Beide Filme sind eigentlich Objektstudien, aber man kann sie auch als Teil von Nashashibis fortlaufendem Bestreben sehen, das Wesen von Präsenz in Raum und Zeit zu erfassen, als Ausdruck ihres Wunsches, die Dinge so zu zeigen, wie sie sind oder wie sie sein könnten.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Schwabe Verlag, Basel.
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