Die Kunsthalle Basel freut sich, anlässlich der diesjährigen Regionale 13 die Gruppenausstellung When I look at things, I always see the space they occupy, mit neuen und bestehenden Arbeiten von Sylvain Baumann, Renate Buser, Thomas Hauri, Markus Müller, Mandla Reuter, sowie Capucine Vandebrouck zu präsentieren. Die sechs Künstler aus Basel und der Region zeigen im Rahmen dieser, auf beiden Etagen der Kunsthalle stattfi ndenden, Ausstellung künstlerische Werke wie Fotografien, Zeichnungen, Installationen oder Plastiken, die sich auf ihre ganz individuelle Art und Weise mit Raumerfahrung, Architektur und Volumen auseinandersetzen. Gleichzeitig wird damit innerhalb der Kunsthalle eine Tradition aufgegriff en, die das Interesse an einer künstlerischen Praxis begründet, die sich mit Architektur und Raum auseinandersetzt. Während Rooms Look Back im Jahr 2008 drei Künstlerinnen zeigte, die sich mit der Repräsentation verschiedener Raumkonzepte im Medium Film und Fotografie auseinandersetzten, legte After Architects (2010) den Fokus auf die verschiedenen Haltungen der eingeladenen Künstler zur zeitgenössischen Architektur sowie einem damit einhergehenden Unbehagen gegenüber dem architektonischen Vermächtnis. When I look at things, I always see the space they occupy könnte in diese Reihe von Ausstellungen aufgenommen werden, verfolgt jedoch einen anderen Ansatz, der sich viel stärker auf die künstlerische Praxis per se bezieht und untersucht inwieweit sich diese Positionen in einen Diskurs um besagte Konzepte von Raumwahrnehmung und Architektur einreihen lassen. Der Fokus liegt auf den individuellen Standpunkten der sechs Künstler und Künstlerinnen.
Der Titel der Ausstellung, When I look at things, I always see the space they occupy, ist ein Zitat aus The Philosophy of Andy Warhol, einer Zusammenstellung bzw. einer Refl exion Warhols über seine Lebensweise und seinen Alltag. Unter anderem referiert Warhol darin auf die Wahrnehmung von Raum und den Einfluss von künstlichen Eingriff en in den Raum. Selbiges Zitat wurde auch von Mandla Reuter in 2004 aufgegriff en und als Titel für ein glänzendes Bronzeschild mit seinem Namen verwendet, dass an einem Gebäudeeingang angebracht war. Jene ältere Arbeit inspirierte ihn zu der Installation am Hintereingang der Kunsthalle Basel. Eine Klingel ist neben der Tür und unterhalb der Kunsthalle-Klingel installiert. Sie ist mit dem Namen des Künstlers beschriftet und ertönt in den Ausstellungsräumen. Sie verweist auf die Anwesenheit Mandla Reuters, und suggeriert sogar, dass er hier zuhause sei. Gleichzeitig enthebt sie die Kunsthalle ihrer institutionellen Identität, da sie plötzlich Heim eines Künstlers wird. Im ersten Saal der Kunsthalle zeigt Sylvain Baumann seine Arbeit Bardage (2012), eine Blockade im Ausstellungsraum, die aus mehreren versetzt aufgestellten Wandelementen besteht. Die Fragilität derselben erinnert an Ruinen, an Überbleibsel von Architektur. Indem er das Wandelement so aufstellt, dass der Besucher seine Bewegungsrichtung dementsprechend anpassen muss, kritisiert Baumann die Wirkung, die Architektur auf den Bewohner hat. Der Besucher wird
mit einer Barriere konfrontiert und ist gezwungen sich ihr anzupassen und dem Weg zu folgen, der durch die Begrenzungen vorgegeben ist. Neben dieser Installation zeigt Baumann drei großformatige Arbeiten Étude de Cadre (La Forêtd’Eucalyptus), Étude de Cadre (Arctique)(2010) sowie die neuere Arbeit Étudede Cadre 4 (2012). Die drei Fotografien auf Aluminium zeigen Ein- bzw. Durchblicke auf verschiedene künstliche Landschaften, offensichtlich Tiergehege eines Zoos. Der Fensterausschnitt, durch welchen das gesicherte Gehege aufgenommen wurde, erzeugt einen „natürlichen“ Rahmen innerhalb des Bildausschnitts. Baumann zeigt erneut wie Architektur Grenzen vorgibt und wie diese uns als selbstverständlich erscheinen.
Auch Renate Buser setzt sich fotografisch mit Architektur auseinander. Sie thematisiert diese allerdings nicht nur, sie (die Architektur) ist primäres Bildthema ihrer Arbeit. Innerhalb der letzten Jahre entstanden fotografische Interventionen, Eingriffe in Architektur, genauer in bzw. an Häuserfassaden. So erweitert sie bestehende Fassaden mittels großformatiger Fotoplots. Die Künstlerin setzt sich hier mit der Gegensätzlichkeit zwischen Innen- und Außenraum und perspektivischen Verschiebungen und Umkehrungen innerhalb der Architekturfotografie auseinander. Auf diese Weise lässt sie oftmals kaum wahrnehmbare Raumbezüge und Linienführungen der Architekturen sichtbar werden. Ihre Arbeit Ohne Titel (2012) in der Kunsthalle Basel ist eine wandfüllende Fototapete, die eine mit einer Großbildkamera aufgenommene Ansicht des Raumes abbildet. Es handelt sich um eine Ansicht aus gleicher Blickrichtung, aber zwei Räume weiter. Erkennbar sind die beiden Türöffnungen durch die man sich bewegt, um an die Stelle zu gelangen, an der die Fotografie entstand. Im gleichen Raum sind außerdem drei Fotografien Centre Point (2012), Robin Hood Gardens (2012) und Elephant and Castle (2012) zu sehen, die auf einen zum Relief gebogenen Aluminiumträger aufgezogen sind. Buser bedient sich hier der auskragenden Elemente der abgebildeten Robin Hood Gardens, eines brutalistischen Baus der 60er und 70er Jahre der englischen Architekten Alison und Peter Smithson, sowie derer des ebenfalls in brutalistischer Bauweise errichteten Hochhauses Centre Point aus dem Jahr 1967 von Richard Seifert und des mehrstöckigen Gebäudekomplexes Metro Central Heights aus den 1960er Jahren von Ernö Goldfinger und arbeitet sie im Relief zu Vertiefungen um. Spezifische Elemente von Fassaden werden betont und als Besonderheiten hervorgehoben.
Der Boden im Saal 3 der unteren Ausstellungsräume ist mit weißem Teppich ausgelegt. Die Installation des deutschen Künstlers Mandla Reuter hat nicht
direkt etwas mit einem Interesse an Architektur zu tun und doch geht es hier um Raum, genauer um die Trennung von öffentlichem, privatem und institutionellem Raum, sowie um reale und fiktive Räume. Schon die Klingel am Hintereingang der Kunsthalle verweist auf die Privatisierung des Raumes und die Anwesenheit des Künstlers. Ähnlich auf An- und Abwesenheiten verweisend, funktioniert der weiße Teppich, auf dem deutlich Spuren von Dreck hinterlassen wurden. Der Raum Reuters nimmt Bezug auf die Existenz eines Grundstückes in Los Angeles, das er vor einiger Zeit erworben hat. Es ist Bauland, auf den Katasterplänen der Stadt Los Angeles abgemessen und bestätigt. Das Grundstück hat eine Adresse und doch scheint es nicht zu existieren. Die Briefe, die Reuter mit seinem Namen und der Adresse des Grundstückes adressiert, kommen mit einem Poststempel und der Bemerkung „no such street“ zurück. Der gerahmte Umschlag prangt neben dem Katasterplan, einer Blaupause, die dennoch beweist, dass besagtes Grundstück existiert, ebenso wie Dreck und Staub, die vom Boden des Grundstücks auf dem Teppich festgetreten wurden. Der Künstler bedient sich verschiedener Medien und entwickelt diverse Möglichkeiten zur Repräsentation dieses Stück unbebauten Landes. Ebenso verknüpft er Zukunfts- und Hoffnungsvorstellung an diesen Ort, in dem er Briefe ausstellt, die nie zugestellt werden konnten, da die Adresse nicht gefunden wurde.
Capucine Vandebrouck verhandelt in ihren plastischen Arbeiten vor allem die spezifischen Eigenschaften des Materials, die sie als Werkstoff verwendet. Dazu gehören beispielsweise Gips, PVC-Planen, oder auch Packmaterial und Kunstharz. Die Künstlerin reizt diese bis an ihre Grenzen aus, was oftmals die notwendige Vergänglichkeit oder gar Zerstörung der Arbeiten mit sich bringt. In ihren Plastiken verbindet Vandebrouck Gegensätze wie Fülle und Leere, Glanz und Mattheit, Schaffens- und Zerstörungsprozesse. Ihre Arbeit Open Space (2012) ist eine transparente, fragile Ecke aus Kunstharz, die als Raum im Raum fungiert. Vandebroucks Mouchoir (2011) nimmt ebenfalls von selbst Form an, indem das in flüssiges Kunstharz getauchte Taschentuch gerade soweit mit Kunstharz getränkt wird, dass es von selbst steht. Die Künstlerin stellt in ihren Arbeiten die werkstoffeigenen Qualitäten von Bau- und Rohmaterialien zur Schau, die dadurch eine eigene, fragile Schönheit erhalten.
Im letzten Saal der Kunsthalle zeigt Thomas Hauri seine großformatigen Aquarell-Zeichnungen. Jede Arbeit besteht jeweils aus zwei oder mehreren bearbeiteten Aquarell-Papieren gleichen Formats. Die abgebildeten Formen, die scheinbar auf Architekturen verweisen, sind frei erfunden, d.h. im Prozess des Malens entstanden und gehen auf das ästhetische Interesse Hauris an der Formensprache von Architektur zurück. So erkennt man scheinbar mächtige Baukörper, die in der Realität wohl nur sehr schwer umsetzbar wären. Hauris Interesse gilt der ästhetischen Oberfläche des Baumaterials Beton. Außerdem wechselte er von der klassischen Leinwandmalerei zum Aquarell, da ein Interesse an Unmöglichkeiten des Ausbesserns von Fehlern inhärent ist. Die Arbeiten wirken gar leicht und zart, was sich auf gewisse Weise mit dem Medium in Verbindung bringen lässt, dessen Zartheit mit der Schwere des Subjekts in Kontrast steht. Ähnliches lässt sich auch bei Capucine Vandebroucks Arbeit Sachets Graphites (2010) in der Mitte des Raumes beobachten, die aus Plastiktüten besteht, deren Oberfläche vollständig mit Graphit bedeckt ist und deren veränderte Oberfläche mit ihrem metallenen Glanz Schwere suggeriert. Eine weitere von Vandebroucks Arbeiten mit gleichem Titel befindet sich auch bereits in Saal 1. Hier ist der Charakter der Sachets Graphites stark verändert, da sie statt in Reih und Glied aufgestellt, in der Wölbung unter der Decke des Saals aufgehängt, nahezu organische Gestalt annehmen.
Im Oberlichtsaal zeigt Markus Müller seine Installation Place (2012), die gemeinsam mit zwei Wandreliefs den Raum einnimmt. Müller, der in den Medien Skulptur und Malerei arbeitet, erzeugt in seinen Werken oft einen Trompe-l’oeil Effekt und imitiert natürliche wie künstliche Materialien, Strukturen und Oberflächen. Die Illusion wird jedoch schnell aufgelöst, wenn man die Objekte und Oberflächen genauer betrachtet. Er bemalt Spanplatten, Sperrholz oder Dachlatten und formt diese zu hybriden Konstruktionen. Sie imitieren Körper, industrielle Strukturen oder Möbel, die in ihrer visuellen und haptischen Qualität andere Wertstoffe verkörpern. Der Künstler macht den Besucher auf das Provisorische aufmerksam und verweist auf die Fragilität seiner Gebilde. Seine Werke sind Kulissen und kreieren einen künstlichen Raum, ein Set, das den Betrachter darauf aufmerksam macht, dass er sich in einem künstlichen Raum befindet. Eine weitere Installation im zweiten Raum des Oberlichtsaals, Glastisch (2009), imitiert ein Podest zur Präsentation dieses scheinbaren Möbelstücks. Es handelt sich um eine ältere Arbeit die ebenfalls mit den Materialeigenschaften spielt und ihre Künstlichkeit unterstreicht. Ergänzt wird seine Präsentation durch drei fotografische Arbeiten Renate Busers, deren Fokus auf der Ästhetik der Fassaden, der Formensprache und der Oberflächenmaterialien des so genannten „Barbican” liegt, eines in brutalistischer Formensprache errichteten Gebäudes nach einem Entwurf des Architekturbüros Chamberlin, Powell and Bon in London.
When I look at things, I always see the space they occupy zeigt sechs vollkommen eigenständige, künstlerische Positionen, deren Arbeiten mit Raum arbeiteten, in ihm funktionieren, ihn aufgreifen und auf ihn eingehen und auf Grenzen wie Möglichkeiten von Architektur aufmerksam machen, oder zur Diskussion von Raumwahrnehmung anregen. Sie inspirieren und widersprechen dem, was Warhol weiter ausführt: „I always want the space to reappear, to make a comeback, because it’s lost space when there’s something in it.“ Sylvain Baumann, Renate Buser, Thomas Hauri, Markus Müller, Mandla Reuter, sowie Capucine Vandebrouck legen offen, dass Objekte in einem Raum den Raum hervorheben können und Objekte und Raum wechselseitig in Beziehung stehen. Es macht fast den Anschein, dass es wichtig wird, wo man Objekte zeigt, denn denkt man Warhols Zitat weiter, lässt es sich auch umgekehrt belegen. Für Warhol macht das Objekt den Raum unsichtbar, doch sind es letztendlich nicht auch das Wesen und die Wirkung des Raums, welche konstitutiv für die Wahrnehmung des Objektes sind?
Mit grosszügiger Unterstützung durch den Roldenfund und den international tätigen Kunstversicherer Nationale Suisse.
Regionale 13, 2012/2013
Als trinationale Plattform für aktuelle Kunst schafft die REGIONALE Orte des Zusammenkommens für Kunstschaffende, Kunstinstitutionen und Publikum im Dreiländereck. Die REGIONALE soll Spiegel der aktuellen, gestalterischen Vielfalt der Region und der beteiligten Häuser sein.
Folgende 16 Institutionen nehmen an der Regionale 13 teil:
Accélérateur de particules, Strasbourg (F) – Ausstellungsraum Klingental, Basel (CH) – Cargo Bar, Basel (CH) – E-WERK, Freiburg (D) – FABRIKculture, Hégenheim (F) – Haus für elektronische Künste, Basel (CH) – Kunsthalle Basel (CH) – Kunsthalle Palazzo, Liestal (CH) – Kunsthaus Baselland, Muttenz (CH) – Kunsthaus L6, Freiburg (D) – Kunst Raum Riehen (CH) – Kunstverein Freiburg (D) – Kunsthalle Mulhouse (F) – Projektraum M54, Basel (CH) – Städtische Galerie Stapflehus, Weil am Rhein (D) – T66 kulturwerk, Freiburg (D)
Absagen und Abholung der eingereichten Dossiers:
Sofern Ihre Arbeiten nicht für die aktuelle Regionale ausgewählt wurden, erhalten Sie Anfang/Mitte Oktober eine Absage per E-Mail. In diesem Fall können Sie Ihr eingereichtes Dossier vom 23.10.2012-20.12.2012 in der Bibliothek der Kunsthalle Basel, Klostergasse 5, abholen. (Öffnungszeiten: Dienstag 14-17 Uhr, Donnerstag 09-12 / 14-17 Uhr)
Für weitere Informationen besuchen Sie bitte die Webseite der Regionale 13.