Simon Denny

Economist Chart NFT (with Moritz Schularick, Historical House Prices, Aggregate Trends)
2021

Simon Denny, Non-Fungible Token ERC-721, JPEG, 1621 × 1619 Pixel Courtesy der Künstler; Altman Siegel, San Francisco; Petzel Gallery, New York; und Galerie Buchholz, Köln / Berlin / New York
Non-Fungible Token ERC-721, JPEG, 1621 × 1619 Pixel
Courtesy der Künstler; Altman Siegel, San Francisco; Petzel Gallery, New York; und Galerie Buchholz, Köln / Berlin / New York




Während der vergangenen zehn Jahre, seit der Geburtsstunde der Kryptowährung, hat Simon Denny auf dem Feld der zeitgenössischen Kunst eine Reihe von Beiträgen zur Visualisierung und Untersuchung der Blockchain geschaffen. Seine Arbeit Blockchain Future States (Blockchain-Zukunftsstaaten), eine der ersten raumgreifenden Installationen, die sich mit Blockchain befasst, wurde 2016 auf der 9. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst gezeigt. Des Weiteren hat er Gruppenausstellungen zum Thema Blockchain kuratiert, u.a. im Jahr 2018 die Ausstellung Proof of Work im Berliner Schinkel Pavillon. Denny gehört demnach zu den wenigen Künstler*innen, die Krypto-Kunstwelt und traditionelle Kunstwelt miteinander verknüpfen. Seine jüngste Arbeit, Economist Chart NFT (with Moritz Schularick, Historical House Prices, Aggregate Trends) (Wirtschaftswissenschaftliches Diagramm NFT (mit Moritz Schularick, Historische Hauspreise, Angehäufte Tendenzen), die speziell für die Ausstellung INFORMATION (Today) der Kunsthalle Basel entstanden ist, spiegelt Dennys rigoros konzeptuelle Praxis und sein profundes Verständnis der Blockchain zugleich.

Economist Chart NFT (with Moritz Schularick, Historical House Prices, Aggregate Trends) ist aus einer Kooperation zwischen Denny und dem Wirtschaftswissenschaftler Moritz Schularick hervorgegangen. Zusammen haben sie ein NFT (Non-Fungible Token) kreiert, dessen «Image» auf einem klassischen, für die Wirtschaft bedeutsamen Diagramm fusst. In Rücksprache mit Schularick entschied sich Denny für «Global Historical House Prices, Aggregate Trends», das erstmals 2017 in der Zeitschrift American Economic Review erschienen ist und von Schularick und seinen Kolleg*innen am Institut für Makroökonomie und Ökonometrie an der Universität Bonn, sowie am Institut für theoretische Volkswirtschaftslehre an der Universität Leipzig aufgestellt worden ist. Das Diagramm bildet zum ersten Mal den globalen Trend deutlich schneller steigender Häuserpreise im Verhältnis zur wachsenden Ungleichheit ab. Ebenso veranschaulicht es die wichtige Tatsache, dass die Beschleunigung beim Anstieg der Hauspreise mit der Einführung von Fiatgeld (eine von Regierungen ausgegebene und vom Goldpreis abgekoppelte Währung) in den 1970er-Jahren zusammenfällt – ein häufig zur Verteidigung von Pro-Bitcoin Positionen angeführtes Argument.

Dieses NFT ist von der Erscheinung her so trocken und akademisch wie ein wirtschaftswissenschaftliches Diagramm und in der «Verwaltungsästhetik» gehalten, die seit Langem mit der Konzeptkunst assoziiert wird, allerdings wird es von einem provokanten konzeptkünstlerischen Akt unterfangen: Denny beabsichtigt 100 Prozent der Gewinne aus dem Verkauf des Tokens zwischen der Kunsthalle Basel und dem Kanton Basel-Stadt aufzuteilen. So dirigiert der Künstler den Profit, der aus der Kryptowährung geschlagen wird, zurück in die Staatskasse. Der Anteil des Kantons am potentiellen Erlös soll vollumfänglich als Fördermittel für Energiesparmassnahmen zur Verfügung gestellt werden. Er fliesst in den entsprechenden Förderfonds des Amtes für Umwelt und Energie. Angesichts des hohen Energieverbrauchs von digitalen und Blockchaintechnologien wird so ein Zeichen gesetzt.

Im Kontext der Ausstellung INFORMATION (Today), einer Gruppenausstellung, welche untersucht, auf welche Weise Künstler*innen sich Themen wie verschlüsselten Netzen, digitalen Währungen, systemischen Ungleichheiten und weiteren Auswirkungen des datengetriebenen Kapitalismus im 21. Jahrhundert annehmen, legt Dennys jüngste Arbeit den Finger in die Wunde just dieser Problematiken und bleibt zugleich doch völlig immateriell. Indem er sich gerade mit den Eckpfeilern beschäftigt, auf denen die NFT-Gemeinschaft ruht, zeigt Denny auf, dass, ausgehend von Bitcoin, die Explosion von personalisierten, nicht vom Staat ausgegebenen Währungen sowie der meteoritenhafte Anstieg ihres Werts das Monopol des Staates hinsichtlich Ausgabe und Verwaltung von Vermögen vor eine echte Herausforderung stellen. Die Schweiz spielt für dieses Phänomen eine bedeutsame Rolle, da mehrere der ersten Währungen dieser Art (etwa Ethereum) im Kanton Zug gesetzlich niedergelassen sind. Dennys künstlerische Geste vereinigt daher strukturell die Welten der Kryptowährungen mit der Frage, wer Wert in Umlauf bringen und verwalten kann, während die Käufer*innen – im Akt des Ankaufs dieses Kunstwerks – zugleich eine würdige Institution der zeitgenössischen Kunst und eine zentralisierte staatliche Organisation unterstützen – genau das, was die Vertreter*innen von Kryptowährungen zu vermeiden suchen.

Presseartikel:

„Simon Denny Is Selling an Intentionally Lackluster NFT to Benefit Institutions Crypto Collectors Typically Don’t Care About“ —artnet

„Dieser Künstler ist ein Allesfresser.“ —NZZ